Sonntag, 1. Mai 2016

Critical Mass April 2016: Mit Flüchtlingen durch Hamburg

Besondere Anlässe erfordern besondere Fahrräder. Darum habe ich nach längerer Zeit mal wieder mein großes Rixe-Tandem aus den 70ern ans Tageslicht geholt und bin damit zur Critical Mass in Altona geradelt. Dort gesellte sich dann Jihan zu mir auf den zweiten Tandem-Platz. Jihan ist aus dem Irak geflüchtet und wohnt seit fünf Monaten in einer Unterkunft für Asylbewerber in Hamm. Der Zufall sorgte dafür, dass wir für einen Abend ein Tandem-Team waren.
Jihan aus dem Irak als Stolker auf meinem Tandem
Schuld hat Janice. Janice hilft und arbeitet in der Hammer Flüchtlingsunterkunft. Besonders liegt ihr am Herzen, dass die Flüchtlinge mit Fahrrädern versorgt werden. "Denn am Radfahren finden viele von ihnen großes Spaß", sagt sie. Janice hatte mich angerufen, um bei mir nach einem Spendenrad zu fragen. Aufmerksam geworden war sie durch eine Kleinanzeige, in der ich ein Klappfahrrad verkaufte. Statt eines Spendenrades bot ich meine Hilfe an, die sofort begeistert angenommen wurde. Als es dann um die CM ging, kam mir die Idee mit dem Tandem. Janice war begeistert und organisierte für die CM eine Mitfahrt von zirka 30 Teilnehmern, die mit Leihrädern der Firma Hamburg City Cycle versorgt wurden. Eine tolle Geste, finde ich. Doch nicht alle Flüchtlinge können Radfahren. So wie Jihan. "Im Irak ist es Frauen sogar verboten", sagt sie so gut sie eben kann. Denn Deutsch lernt sie gerade erst. Und so beschränkt sich unsere Konversation auf dem Tandem auf wenige Worte.

Nach dem Start geht es auf der Elbchaussee Richtung Westen und rein nach Ottensen. Dann quer durch die Stadt nach Osten bis nach Hamm, wieder rein ins Zentrum mit Ziel auf den Heilggeistfeld. 39 Kilometer stehen am Ende auf meinem Tacho - eine ordentliche Tour. Was Jihan denkt? Ich weiß es nicht. Aber ich spüre: Ihr macht die Fahrt Spass. Oft tritt sie nur wenig mit und konzentriert sich auf die Lichter der Stadt. Manchmal tritt sie aber auch euphorisch mit in die Pedale, so dass wir kräftig Fahrt aufnehmen. Manchmal wiederum kommt sie gänzlich aus dem Tritt und hat Probleme, ihre Füße auf Pedale zu bekommen. Auch mit dem Gleichgewicht ist es manchmal etwas schwierig. Radfahren hat sie in den vergangenen Tag in der Unterkunft geübt, ist dabei aber auch schon auf die Nase gefallen, berichtet Janice.
Janice setzt sich ehrenamtlich für Flüchtlinge ein

Das befürchte ich auch bei dem ein oder anderem Mitfahrer aus Kreisen der Flüchtlinge. Euphorisch fahren einige Schlangenlinien und wirken, als wollten sie zur Musik aus den Sound-Bikes tanzen. Wer wollte es ihnen verdenken? Was mögen sie auf dem langen Weg nach Deutschland erlebt haben?  Von Jihan erfahre ich dazu wenig. Mit Boot und Bus ist sie mit ihrer 18köpfigen Großfamilie aus dem Irak geflüchtet. Nun wartet sie auf Papiere von der Behörde. Genau diese Warterei ist es, die den Flüchtlingen den Alltag nicht leicht macht. In den Lagern regiert Langeweile. Und wer Langeweile hat, kommt auf dumme Gedanken. Das scheint mir einer der Gründe zu sein, dass es in den engen Flüchtlingscamp auch immer wieder zu Streitereien kommt. Das ist bei dem Gedränge fast unvermeidlich.

So gesehen ist die heutige CM sicherlich eine willkommene Abwechslung.

Die Aktiven der Gruppe Westwind, die Flüchtlinge mit Fahrräder versorgen, planen übrigens am 8. Mai eine Ausfahrt mit Lagerbewohnern. Wer mitmachen und mithelfen will, ist herzlich willkommen. Start soll vor der Rindermarkthalle sein.
Captain und Stolker vor dem Start der CM

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