Dienstag, 15. Dezember 2015

Lastenrad Vergleichstest: Low- gegen Hightech, Butchers & Bicycle Mk1 gegen Bakfiets - wer ist besser?

Hi- gegen Lowtech: Welches Lastenrad macht das Rennen?

Der Trend zum Lastenrad ist eindeutig. Ob Paketdienste oder Familien – Cargobikes werden in den Städten zu einem gewohnten Anblick. Zwar sind deutsche Metropolen noch weit weg von den Lastenrad-Hochburgen Kopenhagen und Amsterdam, doch die Transportfahrräder kommen auch bei uns mehr und mehr in Mode. In Hamburg haben inzwischen Fahrradgeschäfte wie Ahoi Velo eröffnet, die ausschließlich Cargobikes anbieten. Und auf Spiegel Online erschien kürzlich eine Serie zum Thema Lastenrad-Kauf.

Gut so: Das Thema ist komplex, denn es gibt mehreren Typen von Cargobikes – welche mit zwei und drei Rädern, Modelle mit und ohne E-Motor, wieder andere haben einen Riemenantrieb, einige nehmen die Zuladung vorne auf, andere wiederum am Heck. Mich interessiert bei Lastenrädern vor allem die Fahrdynamik. Behäbige Dreiräder wie das Christiana, Babble oder Nihola scheiden für mich persönlich als zu unsportlich aus. Mehr liegen mir Typen wie das Bullit und das ebenfalls zweirädrige Triobike. Und dann wäre da ja auch noch das Butchers & Bicycles Mk1 – ein Trike, das sich dank Neigetechnik ausgesprochen sportlich fahren soll. Wirklich? Ich wollte es genau wissen und habe das teure Mk1 mit dem klassischem Bakfiets verglichen und dazu einigen Fahrversuchen im beladenen Zustand unterzogen. Das Ergebnis überrascht!


Design und Konstruktion
Beginnen wir beim Preis: 1550 gegen 3395 Euro! Das Bakfiets gibt es also schon für weniger als die Hälfte eines Butchers & Bicycles (B&B) – zumindest wenn beide in der puren Version ohne E-Antrieb gekauft werden. 

Auch ohne Motor sind beide Lastenräder keine Leichtgewichte wie etwa das Bullit. Das 2,55 Meter lange Bakfiets kommt mit seinem dickrohrigem Stahlrahmen auf satte 42 Kilo, das B&B dank Alurahmen auf rund zehn Kilo weniger. Einige Händler verkaufen das dänische Designstück nur in der teureren E-Version, die auch zirka zehn Kilo schwerer ist. Wie auch immer, für sein Geld bekommt der Käufer dann auch ein Lastenrad, das auffällt und immer wieder Köpfe verdreht.

Kein Zweifel: Wer mit seinem Lastenrad ein Statement machen will, also ein Öko-Statussymbol sucht oder einfach modernes High-Tech schätzt, kauft mit dem B&B das richtige Cargobike. Denn neben den Kindern und/oder der Fracht transportiert das wuchtige Trike auch jede Menge Prestige. Der schnittige Kunststoffaufbau, der solide Alurahmen, das hochwertige Reisverschluß-Verdeck sowie der ausgefeilte Riemenantrieb verströmen eine hochwertige Qualitätsanmutung, die technikbegeisterte Fahrer zu schätzen wissen und sie für die Außenwelt interessant machen. In Sachen Lastenrad-Coolness reicht momentan zumindest optisch nichts an das B&B Mk1 heran.

Ganz anders das Bakfiets aus den Niederlanden. Dieser Klassiker strahlt ein eher behäbiges Image ab. Ein Rad, auf dem man sich am ehesten eine blonde Antje vorstellt, die ihre Kinder mit der Kiste in aufrechter Haltung zum Kindergarten pedaliert und gerne Gouda isst. Hurra, es lebe das Klischee. Auch ein langhaariger Latzhosen-Lulatsch mit Peter Lustig-Attitüde und Antiatomkraft-Aufkleber am Schutzblech passt gut aufs Bakfiets. Zumindest wollen es tradierte Vorurteile so.

Mit unverbrauchtem Blick betrachtet offenbart der Holland-Klassiker indes eine zeitlose Linienführung im besten Form-Follows-Function-Sinne. Das Rad mit seinem ewig langen Radstand ist einfach gut durchkonstruiert und irgendwie für die Ewigkeit gebaut. Hinten sitzt eine 26 Zoll-Felge unter dem massivem Gepäckträger, vorn ein kleines 20 Zoll-Rad. Das konstruktive Layout entspricht dem des Long John, das bereits seit den 30er Jahren in Dänemark produziert wird. Kein Wunder also, dass es sich schon viele Jahre auf dem Markt behauptet. Der Fahrer sitzt ausgesprochen aufrecht auf dem Sattel, dessen Rohr in eine markant nach hinten geneigte Rahmenaufnahme mündet. Komfort ist Trumpf.

Alltag und Praktikabilität
Bakfiets wie B&B Mk1 eignen sich hervorragend für den Kindertransport und für Lasten aller Art. Zuladung und Verarbeitung sind bei beiden Fahrrädern gut. Während das B&B deutlich mehr Hightech-Charme versprüht, gibt sich das Bakfiets eher bodenständig rustikal. In der langen Version kann es sogar bis zu vier Kinder aufnehmen; das Mk1 schafft wie das Bakfiets Short maximal zwei. Dafür gibt es beim B&B zusätzlich ein abschließbares Mini-Staufach für Kleinkram. Der Einstieg für die kleinen Passagiere erfolgt spielerisch durch eine Kunststoff-Pforte; beim Bakfiets ist Klettern angesagt. Oder Krafttraining für Papa und Mama.
Praktisch: Das Bakfiets nimmt vorn in der Cargobox die Maxi Cosi-
Babyschale auf, die Karre dafür passt prima auf den Gepäckträger

Was cooler ist können wohl nur Kinder im Sprechalter formulieren. Mein zehn Monate alter Testpassagier kann seine Meinung dazu noch nicht klar artikulieren. Sowohl im Bakfiets wie im Mk1 sind Möglichkeiten für die Befestigung einer Babyschale vorgesehen. Beim B&B erfolgt das wie typisch mit Hightech durch eine Easyfixkonsole aus dem Autobereich; das Bakfietssystem ist eine simplere, aber effektive Gestängekonstruktion, die den Sitz sicher aufnimmt und fixiert. Ein ähnliches Bild bei der Persenning: B&B mit sehr festem Zelt-Material, das Bakfiets überdeckt eine Persenning, die mit Segellatten und Gummizügen fixiert wird. 


Fahren und Handling
Klar, das B&B will sportlich sein. Seine Neigetechnik soll dafür sorgen, dass es sich so agil fährt wie ein einspuriges Lastenrad. Denn normalerweise leiden dreirädrige Lastis unter einem sperrigen Einlenkverhalten und umrunden Kurven eher widerwillig. Nun, zunächst fällt beim Mk1 eine gewisse Kopflastigkeit auf. Ist es mit Kind oder Gepäck beladen, wird der Hinterbau sehr leicht. Bei Notbremsungen mit den giftig zupackenden Scheibenbremsen an beiden Vorderrädern aus höherem Tempo könnte die ungleiche Radlastverteilung problematisch sein. Ich habe der Gesundheit wegen auf einen entsprechenden Extremtest verzichtet. Ich bin sicher: Früher oder später wird es eine Art Elchtest für Lastenräder geben.

Die ersten Meter auf dem B&B sind auch für geübte Radfahrer zunächst ungewohnt. Das Rad entwickelt ein merkwürdiges Eigenlenkverhalten, das aus Gewichtsverlagerung und den ausgleichenden Richtungskorrekturen resultiert. Hat man sich daran gewöhnt, geht es sicher vorwärts. Einen richtig stoischen Geradeauslauf wie das Bakfiets erreicht das B&B aber nie; in der Spurhaltung bleibt es stets leicht nervös und fordert ständige Lenkkorrekturen.

Glanzlicht des Mk1 ist seine spektakuläre Neigetechnik. Lenkt der Fahrer in die Kurve, legt sich der Vorderbau dank einer aufwendigen Achskinematik quasi in die Kurve. Dieses Merkmal verringert zwar effektiv den Wendekreis, doch entscheidender ist das subjektive Gefühl von hoher Fahrdynamik, das so dem Fahrer vermittelt wird. Aber: Wie stark dieses Gefühl täuschen kann, belegen meine Fahrtests in einem Slalomparcours.

Auf etwa 75 Metern habe ich Pylone in drei Meter Abständen platziert. Mit Stoppuhr am Lenker bin ich dann beide Räder jeweils zehn Mal in beide
Den Pylonenabstand habe ich exakt
ausgemessen
Richtungen mit maximal möglichem Tempo durch die Slalomgasse gefahren. Durchgänge mit umgerissenen Hütchen habe ich nicht berücksichtigt. Aus den Fahrten habe ich die Mittelwerte gebildet. Und die sind eindrucksvoll:
-Butchers & Bicycles MK1: 11,4 Sekunden
-Bakfiets:                                   9,6 Sekunden
Das einspurige Lastenrad aus Holland fährt also fast zwei Sekunden schneller durch den Slalomparcours als das Neigetechnik-Trike. Eine Welt!


Fazit:
Das Mk1 mag sich zwar sportlich anfühlen, ist es aber im Radalltag nicht. Wendiger, schneller, also dynamischer fährt sich das Bakfiets. Nicht nur in engen Kurven zeigt es Vorteile, sondern auch bei der Fahrt durch eng gesteckte Poller auf Radwegen oder schmalen Parklücken.


6 Kommentare:

  1. War doch klar, dass ein Zweirad das Rennen gewinnen wird :)

    AntwortenLöschen
  2. Hm, kann es vllt sein, daß das Dreirad einen längeren Weg zurücklegen muß? Also wegen seiner Breite einfach "steiler" durch die Pylonen muß, verbunden mit mehr Kurveneinsatz ect... Vllt wäre das Rad ja bei 4m Pylonenabstand genauso schnell wie das Backfiets??

    AntwortenLöschen
  3. magnífica bicicleta de carga; quiero Madrid llena de estas bicis en lugar de furgonetas diesel

    AntwortenLöschen
  4. Das sind auf jeden Fall zwei sehr schöne Bikes. Ich finde das moderne so wie das klasische Design haben seinen Charme.

    AntwortenLöschen
  5. Anschaulicher und hilfreicher Bericht. Aber ein Trike mit Zweirad auf diese Art zu vergleichen ist Unsinn. Dann lieber den MK1 mit dem neigungsfreien Bakfiets-Trike vergleichen.

    AntwortenLöschen
  6. Bei dem berühmten Elchtest, dem der Mercedes A-Klasse zum Opfer fiel, ging es nicht um einen Bremsentest, wie hier im Artikel vermutet. Es ging um das plötzliche Ausweichen um ein Hindernis / das Umrunden desgleichen.
    Es gibt ein video im Netz, das einen Vergleich von Dreirädern mit / ohne Neigetechnik zeigt. Einfach mal nach cargobikes Elchtest suchen.
    Grüße
    deltaforce

    AntwortenLöschen