Freitag, 22. August 2014

Lebenskünstlerin auf dem Lastenrad: Kurierfahrerin Steffi fährt Bullit

Peutestrasse am Abend. Brummi-Fahrer stellen ihre Lkw ab, machen sie fertig für die Nacht. Es riecht nach Diesel. Hier, zwischen Norderelbe, Hafenbecken und Aurubis-Kupferhütte ist Trucker-Revier. MAN, Actros, Scania - außer Zugmaschinen und Trailern ist auf der schnurgeraden Industriestraße nicht viel zu sehen. Dann kommt Steffi. Steffi fährt quasi auch einen Truck. Einen mit zwei Rädern und Muskelantrieb. Denn Steffi ist Kurierfahrerin bei Inline und sitzt auf einem Bullit - ein Einspur-Cargobike aus Aluminium mit großer Kiste vorm Lenker. Schon oft habe ich Steffi mit dem weißen Lastenrad in Hamburg gesehen. Nun haben wir haben uns kurz über ihren Job im Besonderen und das Leben im Allgemeinen unterhalten.
Steffi guckt skeptisch in den Himmel. Im Westen wird es schon wieder bedrohlich dunkel. Routiniert holt sie ihre schwarze Regenjacke aus der silbernen Transportbox und zieht sie über. An einem Brustgurt baumelt ein wasserdicht verpacktes Funkgerät. "Fünf Mal bin ich heute nass geworden", sagt Steffi. Verrücktes Wetter. Verrückter August. Erst Sonne und blauer Himmel, dann Platzregen und überflutete Straßen. Radkuriere müssen damit leben. Ein hartes Leben.

Nach einem Zwölf-Stunden-Tag rollt Steffi über die Peute nach Hause. Hier wohnt sie und fährt jeden Tag über die Elbbrücken ins Zentrum. Die Peute ist ein ungewöhnlicher Ort zum wohnen - eine Mischung aus Flashdance-Romatik mit Mann-im-Strom-Flair. Das passt zu Steffi, ist sie doch eine der wenigen Frauen, die diesen Knochenjob auf Hamburgs Straßen nachgehen. Früher fuhr sie ein Singelspeed. Doch das steht schon länger in der Ecke. Sie will es verkaufen. Ihre Firma hat einen Deal mit dem dänischen Cargoradhersteller Bullit ausgehandelt und ein paar Exemplare erworben. Seit dem fährt sie ausschließlich dieses moderne Lastenrad, dass inzwischen ihr gehört. Denn Radkuriere sind selbstständig; an der Kurierfirma Inline sind die Mitarbeiter beteiligt.

Bullits gibt es auch mit E-Motor. Doch Steffi, darauf legt sie wert, fährt mit Muskelkraft. "Dann kann ich mehr essen", scherzt sie. Die Inline-Konkurrenzfirma "Der Kurier" hat auch Bullits in Hamburg im Einsatz, die aber mit E-Doping unterwegs sind. Der Trend scheint eindeutig zum Lastenrad zu gehen.

Warum? Das weiß auch Steffi nicht so genau. Natürlich hat es mehr Transportkapazität als die üblichen Kuriertaschen. Ein Bullit kann 180 Kilo zuladen und problemlos einen kleinen Kühlschrank oder Zimmerpalmen von A nach B befördern. "Ich hatte schon Aufträge wie sechs Kisten Wein von Händler zum Besteller zu befördern", erklärt Steffi. Doch viele echte Cargofahrten, für die nur ein Lastenrad in Frage kommt, sind nicht das Hauptgeschäft. Nur rund ein Drittel der Aufträge, so schätzt Steffi, erfordert auch tatsächlich die Kapazität des Bullit. So kommt es oft vor, dass sie mit dem langen Ding einen DIN-A4-Briefumschlag durch die Stadt chauffiert.

Das Bullit hat eine große Transportkiste und verträgt 180 Kilo Zuladung

also zukunftssicher.

Die neue Ikea-Filiale in Altona lässt ihre Waren inzwischen auch von Lastrad-Kurieren zum Kunden bringen. Doch so richtig beliebt sind diese Ikea-Jobs nicht, berichtet Steffi. Da würde sich so machner Kunde beschweren, warum der Anlieferer die Möbel nicht zusammenbaue.

Pro Stunde verdient Steffi etwa 20 Euro. Als Selbstständige muss sie sich selber krankenversichern und macht sie Urlaub, rollt weder ihr Rad noch der Rubel. Und weil nur der Radkurier-Job nicht genug einbringt, arbeitet Steffi morgends zusätzlich in einem Café. Danach geht es aufs Rad. Zwölf- bis 14-Stunden-Tage sind normal. Manchmnal fährt sie auch einen Lkw bei Filmproduktionen. Steffi ist als keine dogmatische Radkurierin der alten Schule, die Autos ablehnt, sondern sieht das ganz pragmatisch. Gut so.

Die Gesamt-Fahrstrecke an einem normalen Arbeitstag liegt zwischen 40 bis 100 Kilometern. "Genau weiß ich es nicht, denn ich habe keinen Tacho", erklärt Steffi. Heute war es jedenfalls ein harter Tag mit den ständigen Regengüssen und den niedrigen Temperarturen. Richtig hart aber wird der Job erst im Winter, bei Frost und Eis.

Aber daran mag Steffi noch nicht denken. Heute ist ertmals Feierabend. Ein wohl verdienter Feierabend.

2 Kommentare:

  1. das ideale Fahrrad für die Versorgung mit Getränken bei der nächsten Critical mass.Dann stimmt auch der Stundenlohn.Ich frage mich nur wohin mit dem Fahrrad nach Feierabend?In den Keller tragen? oder in die Einzelgarage.Auf jeden Fall Daumen hoch für diese tolle Frau!
    Gruß Wolfgang

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  2. Gibt es inzwischen nicht solche zusammenklappbaren Taschen, so dass der Luftwiderstand sich in Grenzen hält?!?! Ansonsten natürlich Respekt an diese äusserst sportliche Leistung.
    Aber aus der Peutestrasse würde ich versuchen wegzukommen. Die kenne ich sehr gut und da gíbt es sicherlich bessere bezahlbare Ecken in Hamburg ;)

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